Die Mär von den unberührten Stränden

Die neue Ausgabe des »Konsumentenmagazins Saldo« enthält einen Artikel zu Badeurlaub in Albanien und anderen südosteuropäischen Ländern. Und gleich zu Beginn findet sie sich wieder – die abgedroschene Floskel der »letzten unverbauten Küste am europäischen Mittelmeer«.

Endlose Häuserzeilen – endlose Baustelle

Kaum Menschen, aber nicht unberührt: Strand auf der Halbinsel Karaburun vor der Hochsaison

Aber nur, weil Albanien lange in den Katalogen der westeuropäischen Reisebürose fehlte, ist es nicht so, dass dort alles unberührt, unverbaut und unerschlossen ist. Vor 20 Jahren hat ein regelrechter Bauboom eingesetzt, zuerst in Durrës und schnell entlang fast der ganzen albanischen Küste. Immer mehr Küstenabschnitte wurden verkehrsmässig erschlossen und überbaut. In Durrës-Plazh reihen sich endlos Hotelblocks und Appartmenthäuser aneinander. Saranda schreckte Touristen mit unfertigen Häusern – typisch albanischen Endlosbaustellen – ab. In Ksamil trübten von den Behörden zerstörte illegal errichtete Bauten das Bild. Andernorts ist die »Betonisierung« noch nicht ganz so flächendeckend, die Häuser stehen weiter auseinander und haben weniger Etagen. Im Hochsommer sind die Strände Albaniens aber überall meist übervoll – die Sonnenanbeter haben jedoch mehrheitlich albanische Wurzeln.

Deshalb muss man von den Begriffen »unberührt«, »unverbaut« und »unerschlossen« Abstand nehmen, wie wir es in unserem Albanischen Strand-Guide schon lange tun.

Die abgeschiedenen und einsamen Strände

Strand von Livadh bei Himara
Nicht wie vor 20 Jahren menschenleer und unverbaut: Strand von Livadh bei Himara

Vor 20 Jahren entstanden in Himara gerade die ersten Unterkünfte. Die Uferpromenade war noch unasphaltiert, das kulinarische Angebot sehr limitiert. Und ein nicht allzu langer Spaziergang oder eine kurze Autofahrt entlang der Küste führte rasch zu menschenleeren Stränden.

Heute sieht es ganz anders aus. Auch in Himara reiht sich sommers Liegestuhl an Liegestuhl, im Ortszentrum an der hübsch gestalteten, vom Verkehr befreiten Uferpromenade Restaurant an Restaurant. Viele Strände in der Region sind mit Asphaltstrassen erschlossen, so dass jetzt auch dort Hotels und Campingplätze zu finden sind.

Wer in Albanien im Hochsommer noch einen abgeschiedenen, unberührten Strand geniessen möchte, muss meist eine längere Wanderung auf sich nehmen oder sich von einem Boot absetzen lassen. Und immer wieder erwartet einen leider auch an diesen abgeschiedenen Orten viel Müll.

Ausserhalb der Hochsaison sieht es etwas anders aus. Da hat man auch die gut erschlossenen Strände oft für sich alleine – zum Teil kommt auch etwas bedrückende Geisterstadt-Feeling auf.

Geheimtipp?

Der Autor des Saldo-Artikels, der vermutlich nicht alle Urlaubsdestinationen selber getestet hat, hat nicht ganz unrecht: Albanien ist in unseren Breiten noch immer ein Geheimtipp. Man kann schönen Urlaub in Ruhe erleben, kann Sommer und sauberes Wasser geniessen, eine neue Kultur entdecken und tolle Landschaften geniessen – definitiv eine Alternative zu Italien und andere populären Reisezielen. Man darf die Destination jedoch nur mit Vorbehalt anpreisen: Der Geheimtipp ist unter Albanern aber schon lange bekannt und beliebt. Im Hochsommer übervoll mit Einheimischen und recht laut, viele Strände recht verbaut, das ausserordentliche Natuerlebnis nur mit Aufwand zu erreichen.

Blick vom 8. Juni 2019: »Balkanland Albanien ist die neue Trend-Destination«

Da ist das Boulevard-Blatt »Blick« schon etwas ehrlicher. Im neusten Artikel über Albanien ist keine Rede von »unverbauter Küste« oder »unberührter Natur« – wahrheitsgetreu wird geschrieben von »hoher Nachfrage«, viel »unberührter Natur« und »Albanien gehört bei den Badeferien zu unseren gefragtesten Destinationen mit dem grössten Zuwachs«. Nur das Bild, überschrieben mit »Traumstrand«, zeigt den kaum erreichbaren Grama-Strand auf der Karaburun-Halbinsel.

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2 Responses so far.

  1. Tobi Gessler sagt:
    Sehr guter Artikel. Im momentanen Albanien-Boom wird einiges beschönigt um nicht zu sagen Mist erzählt. So verkauft sich jedes zweite Restaurant im Lande als „Bio“ (haha) oder wie im Artikel erwähnt die „unberührte“ Küste. Für einen nachhaltig erfolgreichen Tourismus würde es sich stattdessen lohnen reinen Wein einzuschenken: Albanien hat so oder so viel Spannendes zu bieten, gerade auch in seinen Widersprüchen, Brüchen und „halbfertigem“. Mit einem Lügenmärchen wird es sonst ein ganz kurzer Boom. Sagt einer der seit sechs Jahren im Land lebt & arbeitet.
  2. jürgen jansen sagt:
    Albanien kann man allen empfehlen,die „anders“ mögen,,,,,,,,,,,,,,,müll ist ein grosses Problem,strassen werden langsam besser,sind aber immer noch erheblich schlechter als bei uns,,,,,,,,,,,,,,,,,,,aber atemberaubend schöne Landschaft,,,,freundliche menschen,,,,,,,,sehr günstige übernachtungsmöglichkeiten,unschlagbar günstige Gastronomie,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,alles in allem wer noch nicht da war ,sollte das unbedingt nachholen

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