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"Geisterstädte" in Albanien

Verfasst: Di, 08. Jan 2013, 23:11
von GjergjD
Es gibt in Albanien Orte, die kaum noch - oder ganz unbewohnt sind. Mir fallen mindestens drei Kategorien von Lost Places ein
1.) antike / historische Stätten
2.) Militärsiedlungen oder ehemalige Straflager, die inzwischen überwiegend ungenutzt sind.
3.) Bergbausiedlungen, die heute keine Bedeutung mehr haben.

Es gibt bei Top Channel die Reihe shqiperia tjeter, die dieses Thema öfters aufgreift, z.B.:

Die anitike Stadt Klos (Nikaia), 1 km entfernt vom bekannteren Bylis in Südalbanien (Kategorie 1)
http://www.top-channel.tv/artikull.php?id=249129&ref=ml

Bize, eine Militärsiedlung hinter den Dajti Bergen oder das Straflager Spac http://youtu.be/iFQ5aCSA_z0 (Kategorie 2)

Die Bergbaustadt Kurbnesh im Lura Gebiet, die einst mit DDR-Unterstützung ausgebaut wurde (Kategorie 3)
http://youtu.be/llIYZMGY_Cs


Vielleicht habt ihr zu diesem Thema eigene Eindrücke oder kennt noch andere Beispiele?

Re: "Geisterstädte" in Albanien

Verfasst: Do, 10. Jan 2013, 22:55
von volkergrundmann
Als ich das letzte mal in Biza war, fand ich dort am Rande der Kasernenruinen fünf Hallenzelte der NATO aufgebaut. Drinnen, mein Eindruck war, Entsorgungsanlagen. Man beschäftigte sich offenbar damit, unschädlich zu machen, was man alles aus den tiefen Bergbunkern oberhalb des Platzes raus holte...
Ich machte, dass ich davon kam.

Re: "Geisterstädte" in Albanien

Verfasst: Do, 17. Jan 2013, 8:40
von Lars
Es gibt dann noch die Kategorie 4 der Geisterdörfer in den Bergen im Süden und Dörfer, wo die ganze Bevölkerung ausgewandert ist. Dies betrifft vor allem kleinere Siedlungen der Griechen und sehr abgelegene kleine Bergdörfer und Weiler.

Re: "Geisterstädte" in Albanien

Verfasst: Di, 16. Apr 2013, 21:25
von GjergjD
Wenn es irgendwo in Albanien eine vergessene Ecke gibt, Marin Mema von Top Channel war schon da und berichtet über Verfall und Rückständigkeit in den Dörfern abseits der großen Verkehrswege. Lekas ist so ein Beispiel, die Gemeinde liegt "hinter" Voskopoja in den Bergen und fernab der großen Verkehrswege. Dort leben nur noch die Alten, in der Schule gibt es noch 25 Kinder, wenn sich nichts tut, sterben diese Gemeinden langsam aus. Im Winter war der Ort oft nicht erreichbar und das Militär hat dort Hilfslieferungen verteilt.
http://youtu.be/j2YOY7ZEdBA

Re: "Geisterstädte" in Albanien

Verfasst: Di, 16. Apr 2013, 21:51
von djali i vores
Ich fürchte das diese Gemeinden genauso wie viele andere davor von der Bildfläche verschwinden werden. Da hat sich bestimmt seit Jahren kein Politiker blicken lassen. Alle wollen nach Tirana ziehen. In den Gemeinden investiert niemand.

Re: "Geisterstädte" in Albanien

Verfasst: Di, 16. Apr 2013, 22:18
von volkergrundmann
GjergjD hat geschrieben:Wenn es irgendwo in Albanien eine vergessene Ecke gibt, Marin Mema von Top Channel war schon da und berichtet über Verfall und Rückständigkeit in den Dörfern abseits der großen Verkehrswege.
Dem Manne sollte geholfen werden. In dem Film war gerade mal ein Haus zu sehen, um dessen historische Substanz es schade war. Der Rest war Armenhaus, kein Verlust für die albanische Architekturgeschichte. Die vielen Dörfer dieser Art werden in Kürze Wüstungen werden, kum einer wird ihnen eine Träne nachweinen. Solche Entwicklungen hat es selbst unter Enver Hoxha gegeben (ich denke z.B. an Hundecova bei Lukova).

Die Reportage bewirkt also gar nichts, die Fernsehzuschauer werden kaum Mitleid mit dem Dorf spüren. Der Reporter sollte selektiver und kritischer werden, nur jene Dörfer vorstellen, um die es wirklich schade ist. Und eben da gibt es eine Menge, die in der Einzigartigkeit ihrer Substanz am Ende wirklich Verlust für die Nation darstellen. Dies umso mehr, da die Eigenart ihrer Bauweise schnellen Verlust bewirkt, sobald sie nicht mehr gepflegt wird (hier denke ich z.B. an Ogren hinter Benja).
Dort, wo es sich lohnt, fangen die Eigentümer auch mittlerweile wieder an, den Orten Leben zurück zu geben (Himara-Kastro, Kiparo, etliche Dörfer an der Ostflanke der Dropull-Ebene. Geschichte ist Werden und Vergehen, und was am Ende keinen Wert mehr durch seine schiere Substanz hat, fällt durch den Rost (übrigens auch in Deutschland, im Nordosten sehen einige Dörfer auch bald so aus wie dieses Lekas).

Letzte Bemerkung: Westlich von Lekas liegt die Ostrovica-Kette. Ähnlich wie die Lenias-Seen ein Bermuda-Dreieck. Ich kannte einen Geologen (viele werden ihn kennen, Prof. Kujtim Onuzi). Der schwor, das dies eine der aufregendsten und geheimnisvollsten Landschaften Albaniens sei. Kein Ausländer je war da, letztes Jahr wollte einer quer durch mit dem Motorrad, hat es aber aufgegeben.

Re: "Geisterstädte" in Albanien

Verfasst: Di, 16. Apr 2013, 22:54
von divis
Kujtim hat recht, aber es kann leicht sein, dass in nicht ferner Zukunft sehr sehr viele Ausländer am Südende der Bergkette sein werden.

http://www.trans-adriatic-pipeline.com/ ... cs_Map.PDF

Die ESIA (Environmental and Social Impact Assessment) wurde letzte Woche akzeptiert. Die Bauentscheidung fällt voraussichtlich im Juni.

Re: "Geisterstädte" in Albanien

Verfasst: Di, 16. Apr 2013, 23:06
von volkergrundmann
Oh, Gott, das bringt Leben in die Bude. Schnell noch hin, bevor die Bagger rollen...

Re: "Geisterstädte" in Albanien

Verfasst: So, 09. Jun 2013, 2:35
von Hansdieter
Hallo Leute,

ist die Lage denn in diesen Regionen wirklich so schlimm oder gibt es da noch irgendwie Hoffnung oder Motivationen, dass da in den kommenden Jahren wieder eine dichtere Besiedlung stattfindet?

Re: "Geisterstädte" in Albanien

Verfasst: So, 09. Jun 2013, 17:16
von Lars
ohne Arbeit, Verkehrsanbindung, Schulen, Gesundheitsversorgung, Läden – eher nicht.

es gibt ein paar wenige Beispiele wie Theth, wo sich dank kleineren Tourismusprojekten etwas verändert hat.

Re: "Geisterstädte" in Albanien

Verfasst: Do, 20. Jun 2013, 19:31
von GjergjD
Wieder so ein Beispiel eines Dorfes ohne Zukunftsaussichten: Die Gemeinde Zhepa in Skrapar, sie liegt nochmals abgelegener als das bei Tomorri Fahrern bekannte Gjerbës. (40° 40' 38.1108" N 20° 17' 17.6136" E)
http://youtu.be/7vokdjv2pq0
Der Ort ist oft lange Zeit von der Außenwelt abgeschnitten, wenn der Fluss viel Wasser führt ist eine Durchquerung nicht möglich, eine Brücke gibt es nicht. Die Menschen leben in baufälligen Häusern als Bauern von der Hand in den Mund, oft müssen sie sich auch verschulden, um überhaupt irgendwie über die Runden zu kommen.

Re: "Geisterstädte" in Albanien

Verfasst: Fr, 20. Sep 2013, 0:12
von GjergjD
eine neue Reportage aus dem ehemaligen Straflager Spac http://youtu.be/jRxtpBoVIZY

Malëshovë, ein Dorf bei Permet

Verfasst: Mo, 18. Nov 2013, 22:49
von GjergjD
Das Dorf Maleshova liegt im Gebirge ca. 18 km südlich von Kelcyra und ist nur schwer zu erreichen. Zunächst ist erst einmal der Fluss Vjosa zu überqueren, was nur an zwei Stellen möglich ist, östlich beim Dorf Grabovë oder nördlich in der Schlucht bei der Mineralquelle von Trebeshina (River Hotel, Gryka e Kelcyres), von dort führt ein Weg weiter in die Berge über Mbrezhdan nach Malëshovë http://goo.gl/maps/K3iSR Angeblich wurde die Straße mit Hilfe des Militärs ausgebaut, wie Mema berichtet existieren die Investitionen nur auf dem Papier. Der Ort besaß einst eine 8-Jahres Schule und ein Gesundheitszentrum. Inzwischen wohnen dort nur noch 5-6 Familien.
http://youtu.be/OgrXPXr8Jb4

Aus dem Ort stammt der Publizist Sejfulla Malëshova (1901-1971, auch bekannt unter seinem Dichternamen Lame Kodra, ex Minister für Bildung und Kultur 1945-46, ein liberaler Kommunist, der den Säuberungen zum Opfer fiel und bis an sein Lebensende verbannt wurde)

Interessant an den Folgen dieses Formats finde ich immer wieder die Eindrücke zu Landschaft, Menschen und Verkehrswegen. In der Gegend von Permet gibt es eine größere Anzahl halbverlassener sehr "ursprünglicher" Bergdörfer.

Re: "Geisterstädte" in Albanien

Verfasst: Mo, 18. Nov 2013, 23:35
von volkergrundmann
Hier ist GjergjD einem interessanten Fänomen auf der Spur: Während in der deutschsprachigen Gruppe der Abenteuer-Touristen Orte wie Theth oder Vermosh bekannte Namen sind, thematisiert kaum jemand den Bereich des (zweizügigen) Dhembel-Massivs zwischen Permet und Gjirokastra oder gar seine nördliche Fortsetzung jenseits der Kelcyra-Schlucht. Im englischsprachigen Bereich ist es genau umgekehrt (die Ursachen kennen die Insider).
Die Bergwelt bei Theth-Vermosh mag auf den ersten Blick interessanter erscheinen, aber an besonderer Architektur hat Vermosh gar nichts (nur in Richtung Vukel-Nikc ist einiges zu finden), Theth hat ausschließlich seinen Blutracheturm, das Haus auf dem Felsen und die neue Kirche.
Im Dhembel-Massiv (und zum Teil auch in Richtung Frasher auf der anderen Seite - Ogren) hingegen findet man, wie die Reportage belegt, vielfältige Überreste einer architektonischen Sonderkultur, wo die gesamten Ortlagen aus sauber geschichteten Plattensteinen ohne Mörtelverbindung bestehen! Eine seltene architektonische Kultur, die nicht nur höchsten Schutz durch die albanischen Behörden, sondern auch besondere EU-Förderung verdient. Denn die Bauten bedürfen wegen ihrer Witterungsanfälligkeit ständiger Pflege, wandern die Einwohner aus, dann zerfallen die Gebäude in den Dörfern fast schneller als bei Lehmbauten. Es ist höchst bedauerlich, dass diese Kultur keinen besonderen Schutz genießt. Dies um so mehr, da hier im weiteren Umkreis auch einzigartige Kirchen- bzw. Klosterbauten zu finden sind. Ich würde mir fast wünschen, dass dieser Regionalbereich stärker in den Fokus der Deutschsprachigen (und auch dieses Forums) gerät.

Ungrej, im Hinterland von Lezha

Verfasst: Mo, 16. Dez 2013, 21:48
von GjergjD
In der aktuellen Folge der Reihe „Shqipëria Tjerër" wird das Hinterland von Lezha behandelt. Wer sich für diese entlegene Ecke interessiert, findet in der Reportage wieder ein paar typische Dorfbilder und einen Eindruck zu den Straßenverhältnissen.
http://youtu.be/YX_CCgjhkRo
Wie man dort hin gelangt? Auf der Nebenstrecke Lezha-Vau Deja nördlich vom Dorf Kallmet I Vogël bei 41.865942,19.699194 auf eine Piste abbiegen. Hier empfängt die Reisenden ein Bauschild, aber die modernisierte Straße war lediglich ein eine gebrochenes Versprechen vor der Wahl: Nach etwa 13 km kurviger Bergstraße erreicht man das Gemeindezentrum Ungrej mit großem Schulgebäude und einer katholischen Kirche. 41.872924,19.791589
Die Einwohner sind oft gezwungen, ihre Einkäufe im Laden anschreiben zu lassen, mit der staatlichen Unterstützung kommt man nicht weit, das Kassenbuch ist voll mit ihren Schulden. Die Dörfer, die nun folgen, sind ziemlich entvölkert: Kalivaç wenn man sich nördlich hält, hat noch 300 von einst 1200 Einwohnern...

Re: "Geisterstädte" in Albanien

Verfasst: Mo, 16. Dez 2013, 22:25
von volkergrundmann
Da wir ein Reiseforum (also ein Touristen-Werbeforum) sind, schlage ich vor, diesen zweifellos interessanten Beitrag in den Bereich Politik zu verlagern. In dem Video ist zu viel Elend zu sehen, und nichts, was das ausbalanciert (z.B., irgendwelche Sehenswürdigkeiten, die den Besuch dort trotz der Hoffnungslosigkeit lohnen). Wenn prospektive Touristen den sehen, werden sie wohl die Idee, Albanien zu bereisen, augenblicklich streichen. Ich finde, wir sollten hier nur solche "Geisterstädte" vorstellen, die trotz ihres Verfalls dennoch irgendetwas für Touristen Attraktives haben.

Re: "Geisterstädte" in Albanien

Verfasst: Mi, 18. Dez 2013, 21:13
von GjergjD
volkergrundmann hat geschrieben:Wenn prospektive Touristen den Film sehen, werden sie wohl die Idee, Albanien zu bereisen, augenblicklich streichen.
So schlimm waren die Bilder ja gar nicht und ich habe dieses Thema ja nicht umsonst schon unter der Rubrik Sonstiges versteckt :lol: . Ich glaube auch nicht, dass wir hier potentiellen Touristen ihre Absichten vermiesen können, und selbst wenn, dann sollen diese doch anderswo ihr Paradies finden :wink:

Re: "Geisterstädte" in Albanien

Verfasst: Fr, 03. Jan 2014, 23:32
von dannilein
Oh cool genau sowas habe ich auch schon mal gesucht ... ich werde denke ich mal einige davon besuchen. :)

Re: "Geisterstädte" in Albanien

Verfasst: So, 23. Feb 2014, 20:19
von GjergjD
Wieder ein Dorf in der Sammlung der „Geisterdörfer“:

Krushova liegt rund 6 km nördlich von Voskopoja auf knapp 1.400 Metern Höhe. Die im Video gezeigte Zufahrt sei eine Tortur und auch nur für größere Fahrzeuge geeignet. Die letzten Bewohner, der 86-Jährige Naim Bacelli und die zwei Söhne betreiben hier noch eine Landwirtschaft und Obstanbau. In der Höhenlage werden hauptsächlich Kartoffeln angebaut.
http://youtu.be/dosVrP_gJ9g

Re: "Geisterstädte" in Albanien

Verfasst: So, 23. Feb 2014, 21:19
von volkergrundmann
GjergjD hat geschrieben: Krushova liegt rund 6 km nördlich von Voskopoja auf knapp 1.400 Metern Höhe.
Willkommen im Bermuda-Dreieck um den Ostrovica. Hatten wir nicht letztens jemanden, der über Krushova nach Lozhan getobt ist? Lustig vor allem Googles Zeitberechnung: 19 Minuten ab Voskopoja!