Ragna
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Bedeutung der Religionen in Albanien?

Do, 06. Okt 2005, 23:28

Hallo,
wollte mal fragen, ob die "drei großen" Religionen Islam, katholische und orthodoxe Christen in AL eine große Bedeutung haben. Von all den Fotos, die ich bisher von den albanischen Menschen gesehen habe, habe ich eher den Eindruck, dass Religion kein Thema ist, worüber es sich lohnt zu streiten.
Haben 40 Jahre Stalinismus diese Spuren hinterlassen? Ich denke schon, oder? Immerhin war ja jede Form von Religionsausübung verboten. Ich habe mal gelesen, AL sei der einzige Staat der Welt gewesen, der als Religion "Atheismus" angegeben hatte.
Ich meine, ich komme selber aus der DDR und weiß daher, wie das ist mit dem Atheismus. Die neuen Bundesländer werden sicherlich alle einheitlich als protestantisch bezeichnet, aber die Leute, die tatsächlich zur Kirche gehen, kann man an 5 Fingern abzählen. In Bayern ist das sicherlich anders.

Weiß jemand was darüber zu berichten?
Ragna

Katja
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Registriert: Di, 20. Sep 2005, 13:57

Re: Bedeutung der Religionen in Albanien?

Fr, 07. Okt 2005, 8:57

Hallo Ragna,

wie kommst du auf Stalinismus? Albanien hatte doch seinen eigenen Weg eingeschlagen und sich von den anderen Ostblockländern so gut wie vollständig abgewandt. Deswegen haben wir ja auch kaum etwas über AL in der Schule gelernt, oder?

Darf ich fragen, wo du genau herkommst und wie alt du bist?
Ich komme auch ursprünglich aus einem der neuen Bundesländer und bei uns war es so, dass ca. die Hälfte meiner Klasse zur Christenlehre gegangen ist und also nur die andere Hälfte Atheisten waren (bzw. die Eltern). Aber alle waren oder sind protestantisch.

Soweit ich weiß, war der albanische Raum urprünglich katholisch bzw. orthodox (Oströmisches Reich) bis dann die Türken versucht haben, den Islam durchzusetzen, was ja zum größten Teil im Kosovo gelungen ist.
Mein Mann meinte allerdings, dass es vor dem Krieg nicht so zu sehen war. Viele Moscheen wurden jetzt erst gebaut, meist von Saudis, die teilweise so versuchen, junge Männer zu "rekrutieren". Sie müssen sich nur nen Vollbart wachsen lassen und kriegen 300-400€ pro Monat dafür.
Dies ist sicher nicht überall so, aber es gibt solche Fälle.

Wie es genau in Albanien ist, weiß ich nicht.
Was habt ihr anderen so festgestellt?

Ragna
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Registriert: Do, 15. Sep 2005, 23:05

Fr, 07. Okt 2005, 10:42

Hallo Katja

ich komme aus Sachsen und bin 30. In meiner Klasse waren gerade mal 4 Schüler, die zur Christenlehre gegangen sind.
Wahrscheinlich war das regional auch sehr unterschiedlich.
Ragna

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samyb
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Fr, 07. Okt 2005, 12:24

Vielleicht hilft Dir ja der folgende Beitrag etwas weiter..............

Die Kommunisten hatten von 1968 bis 1990 Albanien zum atheistischen Staat erklärt. Jegliche Religionsausübung war in dieser Zeit verboten. Nach wie vor hat die Mehrheit der Albaner kein offizielles Bekenntnis abgelegt. Sie erinnern sich aber, ob die eigene Familie der muslimischen, der orthodoxen oder katholischen Tradition entstammt. So zählen sich ungefähr 40 Prozent der Albaner zu den Sunniten, 20 Prozent zu den Bektaschi, weitere 20 Prozent zu den orthodoxen Christen und etwa 10 Prozent zu den Katholiken. Die restlichen 10 Prozent bezeichnen sich als Atheisten oder gehören anderen Religionen - insbesondere christlichen Freikirchen - an (Quelle: Bevölkerungsgeographischer Atlas von Albanien [1]).

Vor dem 2. Weltkrieg bekannten sich etwa 70 Prozent der Bevölkerung zum sunnitischen Islam. 20 Prozent waren orthodoxe Christen, darunter praktisch alle Angehörigen der ethnischen Minderheiten. Etwa zehn Prozent gehörten der römisch-katholischen Kirche an. Orthodoxe Albaner lebten vor allem im Süden, katholische im Nordwesten, der Islam war, abgesehen von einigen Bergregionen, überall verbreitet.

Lässt man die Bekenntnislosen außer Acht, haben sich die Verhältnisse zu Gunsten der Christen und besonders der westlichen Kirchen verschoben. Einerseits haben gerade unter den Katholiken relativ viele auch in der Zeit der kommunistischen Verfolgung an ihrem Glauben festgehalten, so dass es der katholischen Kirche nach 1990 mit italienischer Hilfe leichter fiel, sich zu reorganisieren. Andererseits wählten viele bewusst oder unbewusst das Christentum, weil es kulturell mit dem Westen verbunden ist. So hat nicht nur die katholische Kirche Zuwachs, sondern auch die im Land aktiven protestantischen Kirchen und Sekten verzeichnen zahlreiche Eintritte. Weniger dynamisch war die Entwicklung des Islam. Zwar kam viel Unterstützung aus Arabien, und es wurden zahllose Moscheen errichtet, die strenge wahabitische Ausrichtung der arabischen Helfer stieß bei den Albanern aber auf wenig Resonanz, gleiches gilt für die Missionsversuche schiitischer Mullahs aus dem Iran.

Wie schon in den Zeiten vor dem Religionsverbot ist die gegenseitige Akzeptanz und Toleranz unter den Anhängern der alteingesessenen Religionen sehr hoch. Zum Teil werden religiöse Feste gemeinsam gefeiert und auch religiöse Stätten anderer Gemeinschaften aufgesucht. Selbst Ehen zwischen Christen und Muslimen sind seit dem Kommunismus für beide Seiten kein Problem und in Albanien an der Tagesordnung. Gewisse fundamentalistische Tendenzen lassen sich allenfalls bei den protestantischen Sekten feststellen.

Die Katholische Kirche in Albanien ist eine Diasporakirche mit alter Tradition. Die Katholische Kirche des Landes besteht aus einer Kirchenprovinz und zwei dem Apostolischen Stuhl direkt unterstehenden Bistümern. Über die Zahl der Gläubigen gibt es kaum zuverlässige Angaben. Die Zahlen schwanken zwischen 250.000 bis zu einer halben Million albanischer Katholiken.

Das älteste Bistum des Landes ist das Bistum Pult, welches bereits im 9. Jahrhundert begründet wurde. Das Erzbistum Shkodra wurde 1867 errichtet. Damit entstand eine vornehmlich von Albanern bewohnte Kirchenprovinz. Das im 13. Jahrhundert gegründete Bistum Durrës - erst zu diesem Zeitpunkt kam es in der Stadt zur endgültigen Trennung von Griechen und Lateinern - wurde 1922 zum Erzbistum erhoben und in Durrës-Tirana umbenannt.

In kommunistischer Zeit hatte die katholische Kirche besonders unter der Verfolgung der Religionsgemeinschaften zu leiden, weil man ihren Angehörigen unterstellte, sie seien Agenten des Papstes und damit des westlichen Imperialismus. Die bei der katholischen Kirche üblichen grenzüberschreitenden hierarchischen Strukturen (bis zum Hl. Stuhl in Rom) waren den isolationistischen Kommunisten Albaniens besonders verhasst. Als 1967 das totale Religionsverbot erlassen wurde, steckten die Kommunisten sämtliche Priester und Ordensleute in Gefängnisse und Arbeitslager. Die meisten Geistlichen starben in Haft, nur wenige wurden bereits vor dem Sturz des Regimes freigelassen. Zur Wende im Jahr 1990 hatten kaum zwei Dutzend Priester den albanischen Kommunismus überlebt.

1993 besuchte Papst Johannes Paul II. zum ersten Mal Albanien. 1996 wurden die kirchlichen Strukturen des Landes verändert. Die Bistumsgrenzen wurden neu gezogen und die neue Diözese Rrëshen im Norden errichtet. Wie Pult, Lezha und Sapa untersteht sie dem Erzbischof von Shkodra. Allerdings ist fraglich, ob die heutigen Diözesen den modernen pastoralen Erfordernissen entsprechen. Vermutlich wurden die kleinen Diözesen im Norden vor allem aus Respekt vor der Tradition beibehalten. Es fehlt dort sowohl an Geld als auch an qualifizierten Geistlichen und Laien, die funktionierende Diözesanverwaltungen aufbauen könnten. Derzeit (2004) sind die kleinen Suffranganbistümer alle unbesetzt und werden vom erzbischöflichen Ordinariat in Shkodra mitverwaltet.

Albanien und der Apostolische Stuhl unterhalten diplomatische Beziehungen und der Nuntius für Albanien hat seinen Sitz in Tirana (Rruga Durresit).

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Lars
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Fr, 07. Okt 2005, 14:23

samyb hat geschrieben:Vielleicht hilft Dir ja der folgende Beitrag etwas weiter..............
es handelt sich um verschiedene Abschnitte aus der Wikipedia. ;-)

hoval789
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Toleranz

Fr, 07. Okt 2005, 23:46

Ich finde den Beitrag von samyb sehr interessant.

Mich beeindruckt die Toleranz, welche die unterschiedlichen Glaubensgemeinschaften den jeweils anderen entgegenbringen. Das gemeinsame Feiern von Festen finde ich sehr gut.

Albanien hat somit Vorbildwirkung auf die zahlreichen extremen Glaubensströmungen, die gerade in letzter Zeit sehr viel Negatives in der Welt bewirkt haben.

Eure Meinungen dazu würden mich sehr interessieren.

Schöne Grüße

hoval789
Pro Albania

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margie
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Sa, 08. Okt 2005, 1:50

hallo ranja.ich schließe mich der meinung von katja an.....gruß margie
Sein oder nicht sein, das...

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