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Von Krise zu Krise

Albanien ein Jahr nach den Unruhen Ð ein halbes Jahr Krieg in Kosovo

Der newsletter Albanien widmete sich immer dem Staat Albanien. Es gehörte nie zur Aufgabe dieser Zeitschrift, über Kosovo zu berichten. Vor allem aber verfügen wir nicht über das notwendige Wissen, um uns auch dieses Themas anzunehmen. Albanien lässt sich aber momentan nicht von Kosovo isoliert betrachten: Krieg in Kosovo Ð das Fehlen staatlicher Autorität in Nordalbanien Ð politische Instabilität in Tirana.

Für Frieden in Kosovo ist es zu spät. Die Ereignisse der letzten Monate werden die Albaner nicht mehr vergessen. Seit den ersten grossen Protesten 1981 und vor allem seit der verfassungswidrigen Streichung des Autonomie-Status ertrugen die Kosovaren sämtliche serbischen Repressionen. Auch wenn die U‚K (die albanische Befreiungsarmee) geschlagen zu sein scheint und die Mehrheit der Albaner vor allem in Frieden leben will, sind die Wunden zu tief, um wieder zum Alltag zurückzukehren. Ein Albaner vergisst nicht so schnell, und kein Albaner wird die grausamen Gemetzel an der Zivilbevölkerung den Serben in Bälde verzeihen. Die schlecht ausgerüsteten Kämpfer der U‚K waren chancenlos und überheblich. Die hochgerüstete und kampferfahrene serbische Armee konnte die U‚K bald zurückschlagen und ihr die Macht über immer mehr Gebiete wieder entnehmen. Die U‚K wird den Kampf als Guerilla aber weiterführen. Denn den meisten Albanern bietet sich heute keine Alternative mehr zum Unabhängigkeitskampf. »Schon mehr als zehn Jahre haben wir alles ertragen. Jetzt müssen wir zu anderen Mitteln greifen.«, sagte mir ein in der Schweiz lebender Kosovare. Die Ausweglosigkeit der Situation treibt sie in den Krieg.

Alternativen zur Unabhänigkeit bestehen heute keine mehr. Der Westen hat zu lange gewartet und gedacht, dass sich das Problem von alleine löse. Man glaubte den Versprechungen von Milosevic zur Wiederherstellung der Autonomie, währenddem er die Verfolgung der Zivilbevölkerung forcierte. Wie sollen nach all diesem Morden Albaner und Serben weiterhin in Kosovo zusammenleben? Meines Erachtens ist dies unmöglich Ð noch unmöglicher als in Bosnien und in diesem Fall auch nicht begründet. Die Unabhängigkeit des Kosovo bringe Krieg auf dem ganzen Balkan, hiess es immer. Aber einzig die Unabhängigkeit kann im Kosovo wieder zur Normalität führen. Begleitet durch Massnahmen zur Stärkung der Demokratie in den Nachbarländern, liesse sich der »Untergang« des Balkans abwehren und der Separationswille der mazedonischen Albaner mindern. Ein Zusammenleben von Albanern mit Mazedoniern und von Albanern mit Montenegrinern in einem Staat ist nicht unmöglich. Albaner und Serben in einem Staat »Jugoslawien« ist heute aber undenkbar. Wieviele albanische und serbische Kinder, Frauen und Männer müssen noch sterben, bis Amerikaner, Westeuropäer, Russen und Serben das begriffen haben werden?

Flüchtlingsdrama
Von den Kämpfen in Kosovo ist immer mehr die Zivilbevölkerung betroffen. Zehntausende flohen, solange die Grenze nach Albanien noch offen war. Noch mehr Menschen sind jetzt innerhalb Kosovos auf der Flucht. Zu lange haben die Staaten Westeuropas Ð wieder einmal mehr Ð zugewartet. Der Westen muss sich in Schadensbegrenzung bemühen und versucht, einen erneuten Ansturm von Flüchtlingen möglichst klein zu halten. Die Schweizer Regierung unterstützt beispielsweise mit finanziellen Mitteln die Flüchtlinge in Nordalbanien und will ihnen ein Bleiben schmachkaft machen (siehe weiter unten). Doch die Flüchtlinge haben es wie die Ortsansässigen, die meistens noch ärmer sind, nicht leicht in dieser unterversorgten, abgelegenen, mausearmen Gegend. Einzig die Tatsache, dass sie in Nordalbanien nahe der Heimat sind und etliche von ihnen dort Verwandte haben, hindert die Masse vor einem Weiterzug nach Tiranë und Westeuropa. Mit dem Einzug des Winters und dem Zuzug von noch mehr Flüchtlingen aus Kosovo wird die Lage aber bald noch unerträglicher. Schon heute herrscht grosse Wohnungs- sowie Versorgungsnot in der ärmsten Region Albaniens. Die Ortsansässigen vermieten ihre Wohnungen an die Flüchtlinge und suchen irgendwo in der Natur Unterschlupf. Daneben versuchen sie, an den Kämpfern der U‚K Geld zu verdienen. Das Leben in Nordalbanien ist hart. Die Flüchtlinge werden nicht lange bleiben können. Schon heute herrscht in dieser Region grosse Landflucht. Es gibt keine Arbeit und nur kleine Felder Ð Auswegslosigkeit wie überall im Land.

Kein Aufschwung
Die Albaner brauchen Frieden Ð nur so könnte das Land nach den letztjährigen Ausschreitungen zur Ruhe kommen, sich auf seine Probleme konzentrieren, mit dem Wiederaufbau beginnen und langsam den »Kopf aus der Schlinge ziehen«. Aber es herrscht Krieg in Kosovo, die albanischen Parteien stehen sich wie immer feindlich gegenüber, weiterhin wird das Land von Waffen beherrscht (350 Tote während der ersten fŸnf Monate dieses Jahres) und kaum jemand investiert in Albanien. Mit dem Zusammenbruch der Pyramiden-Firmen ist der albanischen Wirtschaft viel Geld entzogen worden. Früher konnten es sich viele leisten, den ganzen Tag im Café zu sitzen Ð das Geld arbeitete bei einer dieser Firmen. Heute sind die Cafés im ganzen Land ziemlich leer, und ein jeder muss schauen, wie er irgendwie zu ein wenig Geld kommen kann. Doch Arbeit gibt es kaum Ð einige dieser »get quick rich«-Firmen zählten zu den grösten Arbeitgebern des Landes, neue Arbeitsplätze entstehen äusserst selten, und Geld zum Konsumieren fehlt allen. Neue, ausländische Investoren sind auch noch nicht nach Albanien gekommen, denn nichts hat sich verbessert: Die Infrastruktur ist noch mehr zerstört als zuvor, die Korruption nicht weiter eingeschränkt, die rechtliche Situation weiterhin unsicher, Gewalt nicht genügend eingeschränkt, und die Unsicherheit, dass wieder alles zerstört werden könnte, verschwindet nicht so bald. So warten die Menschen auf Ausländer, die Geld ins Land bringen, die Investoren warten auf Massnahmen der Regierung, die Regierung braucht Geld aus der Wirtschaft, um das Land zu stabilisieren, und die Albaner sind enttäuscht von der Regierung. Man kann es ihnen nicht übel nehmen, wenn sie bei dieser Ausweglosigkeit als Wirtschaftsflüchtlinge eine Chance im Westen suchen. Mit immer strengeren Asylgesetzen und rascher Repatriierung werden die wahren Probleme Albaniens nicht gelöst werden können.

Die Politiker beschŠ äftigen sich aber immer noch mehr mit Machtkämpfen und Intrigen als mit politischen Problemen. Auch die Regierung der Sozialisten steht primär unter dem Zeichen der Korruption und in lähmender, unüberwindbarer Konfrontation mit der Opposition. Die erreichten Ziele sind bescheiden. Einzig die Medien sind nicht mehr ganz so stark staatlich geprägt, seitdem private Fernseh- und Radiostationen erlaubt sind. Ansonsten zeichnet sich aber auch die Regierungskoalition unter der Führung der Sozialisten durch machterhaltende Massnahmen aus. Zuerst wurden Demokraten aus sämtlichen Stellen mit Einfluss entfernt. Die Justiz ist weiterhin nicht klar von der Exekutive getrennt. Die meist demokratischen BŸrgermeister beklagen sich, die Zentralregierung halte ihnen finanzielle Mittel vor. Sali Berisha fordert regelmässig Neuwahlen und boykottiert mit seiner Partei weiterhin Parlament und Verfassungsausarbeitung. Sogar innerhalb der Regierungskoalition herrscht nicht immer nur friedliche Einigkeit Ð Ministerpräsident Fatos Nano geniesst seine Rolle als starker Mann. Einzig der albanische Präsident Rexhep Meidani scheint bis heute über diesen Machtspielen zu stehen und interveniert immer wieder, damit die Kämpfe der Politiker nicht weiter ausarten. Er scheint auch von einer Mehrheit der Albaner akzeptiert zu sein und ist Ð ähnlich dem italienischen Präsidenten Ð trotz wiederholten Regierungskrisen ein stabiles Element.

Trügerische Sicherheit
Gross ist auch immer noch die Angst: Zwar sieht man kaum noch Waffen, und auch die nächtlichen Schiessereien sind selten Ð dies ist aber eine trügerische Ruhe. Die Albaner wissen, dass überall Waffen sind, in jedem Haus. Nur allzu schnell ist etwas passiert. Die Regierung ist zwar bemüht, zumindest in den zentralen Landesregionen für Sicherheit zu sorgen, und die Polizei zeigt auch ständig Präsenz. Kugeln sind aber schneller als Polizisten, und kaum ein Verbrechen wird aufgeklärt. Schon am späteren Nachmittag sind die Überlandstrassen verlassen. Im gebirgigen Norden fahren viele Autos nur in begleiteten Konvois.

Der Krieg in Kosovo, die Forderung der U‚K nach einem vereinigten Grossalbanien, die schlechte wirtschaftliche Situation und die mangelhafte politische Führung sind alles Unsicherheitsfaktoren für einen Aufschwung in Albanien. Bessere Verhältnisse sind in absehbarer Zeit nicht zu erwarten. Dessen sind sich heute auch die Albaner bewusst. Der Traum von Reichtum wie in Westeuropa, wie es die Demokraten immer versprachen, ist ausgeträumt. Die Albaner haben schmerzlich gelernt, dass ihnen weder die Westeuropäer noch die eigenen Politiker helfen. Fast schon letargisch versuchen sie zu überleben und hoffen nur noch, dass ihre Kinder ein besseres Leben haben werden

Lars Haefner


Humanitäre Hilfe des Bundes

Mit Soforthilfe versucht der Bund, die Not der Flüchtlinge zu mildern und ihren Auswanderungswille nach Westeuropa zu schwächen. Bis Mitte Juli wurden Beiträge im Wert von 3,6 Millionen Franken bereitgestellt, mit denen Aktionen des IKRK und des Schweizerischen Roten Kreuzen, des UNHCR und des Schweizerischen Katastophenhilfekorps in Kosovo und in Albanien finanziert wurden. Einerseits können damit die FlŸchtlinge mit Notwendigem versorgt werden (Medikamente, Nahrung), andererseits gilt es, die bauliche Infrastruktur wiederherzustellen und anzupassen. Das Katastrophenhilfekoprs ist dabei, im Bezirk Bajram Curri einige Gebäude als Flüchtlingsunterkünfte zu renovieren. Es ist mit je vier Angehörigen in Albanien und Kosovo sowie einem in Mazedonien vertreten. Darunter sind vor allem Bauexperten, aber auch ein Trinkwasserexperte in Kosovo sowie je ein Logistiker in Tiranë und in Kosovo.

In Kosovo werden die Hilfsorganisatinen durch die Kämpfe in ihrer Arbeit behindert. In Albanien hingegen drohen immer wieder Gefahren und Diebstahl, weil der Staat komplett absent ist. So ziehen sich immer wieder Hilfsorganisationen

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Der albanische Präsident Rexhep Meidani Bild: Lars Haefner

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