volkergrundmann
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Re: Mal ein interessanter Blog

Di, 20. Jul 2010, 9:32

Backpacker hat geschrieben: Ich sehe aber ein überwiegend positives Fazit....
... In einem Land, das so arm wie Albanien ist, halte ich das für keineswegs selbstverständlich.
Da hast du natürlich recht, mir geht es aber um Ursachenforschung. AL verdient am Tourismus derzeit pro Kopf ein Sechstel von dem, was Montenegro verdient und pro Kopf unendlich weniger als GR oder Kroatien. Warum kommen nur ungefähr zehntausend deutsche Touristen in das Land, und fast alle als Individual- oder Bildungstouristen, kein einziger im Qualitäts- Massentourismus? Als Wirtschaftsanalytiker interessieren mich immer Ursachen. Und wenn man aus diesem Blog das Exzerpt zieht, dann hat man die klare Antwort und weiß auch, dass das Land, so wie es sich derzeit darstellt, keine Chance hat, seine Einkünfte in Bälde wesentlich zu steigern.
Es ist noch unendlich viel zu tun, bevor das Land tourismusmäßig in der Liga spielt, in die es aufgrund seiner natürlichen Voraussetzungen eigentlich gehört.

Backpacker
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Re: Mal ein interessanter Blog

Di, 20. Jul 2010, 10:11

Ich sehe die Hauptursache eigentlich eher in dem hartnäckigen Gerücht, dass Albanien angeblich extrem kriminell ist.

Erzähl mal irgendjemandem, dass du dahin fährst. Die meisten Leute faseln dann sofort etwas von Raub, Diebstahl und Rachemorden. Selbst in Montenegro oder Dubrovnik werden Tagesausflüge nach Albanien wie ein Survival-Trip beworben.

Solange dieser Ruf besteht, wird es kaum ein Tourismusunternehmen wagen, in Urlaubsanlage zu investieren. Hinzu kommen natürlich noch Dinge wie zugebaute Strände a la Durres und schlechte Verkehrswege zur schöneren Südküste.

Für erfolgreichen Tourismus wären daher wohl drei Dinge nötig:

1. Massive Öffentlichkeitsarbeit
2. Vernünftige Verkehrswege nach Süden
3. Wirtschaftliche Anreize für Investoren

Dafür braucht man allerdings eine Menge Geld, das nicht vorhanden ist.

Unter den gegebenen Umständen halte ich es daher für völlig nachvollziehbar, wenn Tourismusunternehmen eher in der Türkei oder in Kroatien investieren.

Selbst in Montenegro laufen ja nicht mehr sonderlich viele touristische Investitionen, nachdem da die ganze Küste durch unkontrolliertes Bauen ruiniert wurde. Hinzu kommen die mafiösen Verhältnisse. Dabei ist in Montenegro die Landschaft im Grunde genommen viel schöner als in Kroatien.

ALI
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Re: Mal ein interessanter Blog

Di, 20. Jul 2010, 11:06

Backpacker hat geschrieben:Ich sehe die Hauptursache eigentlich eher in dem hartnäckigen Gerücht, dass Albanien angeblich extrem kriminell ist.
Hallo Backpacker,

vor fünf Jahren war ich zum letzten (und ersten) Mal, dieses Jahr werde ich wieder nach ALB fahren.
Wenn ich die Kommentare im Bekanntenkreis von vor fünf Jahren mit den heutigen vergleiche, ist schon ein Unterschied fest zu stellen. Es sind heute deutlich weniger, die mich für lebensmüde halten. Nicht berücksichtigt sind dabei die Aussagen meiner griechischen und ex-jugoslawischen Arbeitskollegen, die mich eindringlich davor warnen, nach ALB zu fahren.

volkergrundmann
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Re: Mal ein interessanter Blog

Di, 20. Jul 2010, 11:14

Backpacker hat geschrieben:Ich sehe die Hauptursache eigentlich eher in dem hartnäckigen Gerücht, dass Albanien angeblich extrem kriminell ist.

Für erfolgreichen Tourismus wären daher wohl drei Dinge nötig:

1. Massive Öffentlichkeitsarbeit
2. Vernünftige Verkehrswege nach Süden
3. Wirtschaftliche Anreize für Investoren
Nach den Beobachtungen, die ich hier die vergangenen vier Jahre machte, sehe ich die Dinge komplizierter. Individualtouristen vermehren sich, wenn die, die vor ihnen da waren, eindeutig positiv berichten. Bei AL ist es aber so, dass der an sich positive Grundtenor der Berichte mit einer Menge Einschränkungen versehen ist. Der Blog ist ein ganz charakteristisches Beispiel dafür. Das hält die Zahl der Nachahmer in Grenzen. Wenige der hier Gewesenen sagen z.B., sie würden unbedingt noch mal nach AL wollen, einmal reicht den meisten. Das jährlich mögliche Rekrutierungspotential in den deutschsprachigen Ländern wird damit mittlerweile weitgehend ausgeschöpft.

Um Qualitätsresorts für die internationalen Großunternehmen zu bauen, ist nicht mehr all zu viel Platz. Ein Versuch bei Kakome ist exemplarisch fehlgeschlagen, weil der Investor die Eigentumsverhältnisse nicht klären konnte. Ein zweiter, ein Scheich, will nördlich Durres groß investieren, aber das mit viel Geschrei seit Jahren angekündigte Vorhaben ist bis jetzt auch nicht über den Zaunbau hinaus gekommen. Jetzt wurde gerade, wieder mit enormen Geschrei, ein drittes Projekt bei Spilla/Kavaja angekündigt. Dazu habe ich aber große Bedenken, denn das Projekt liegt in der Mündungsschleppe des Shkumbin, und da dürfte die Wasserqualität bei Südwind fast schlechter als in Durres sein. Umweltbewusste Deutschspachige gehen da nicht hin. Vermutlich wird das bestenfalls ein typischer Reiche-Russen-Resort, wo der Schwerpunkt auf Casino und viel Wodka liegt.

Das alles dürfte weiteren Investoren höchst windig und verdächtig erscheinen, man wartet da wohl eher ab, was diese Projekte am Ende wirklich bringen. Un so lange wird auch AL auf die Entstehung von nachhaltigem Tourismus warten müssen.

Von Maßnahmen zur Werbung würde ich derzeit abraten. Werbung muss zwangsläufig ein besseres Bild erzeugen, als die Wirklichkeit derzeit ist. Das führt dann vor Ort zu Enttäuschungen und heizt die Diskussion über die katastrofale Bausituation in den Hauptzentren, den gesamten nicht ausreichenden Unterhaltungs- und Ausbauzustand der Sehenswürdigkeiten sowie das unbewältigte Müll-Problem erst richtig an, ist also letztlich eher kontraproduktiv.

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Re: Mal ein interessanter Blog

So, 25. Jul 2010, 10:55

stmeca hat geschrieben:
Velipoje ist wie ich geschrieben habe für mich ein Chaos, aber trotzdem, (oder gerade deshalb ?) sehenswert.
Gratuliere, damit hast du exakt das Prinzip umschrieben, das derzeit als Motor des Tourismus aus West- und Mitteleuropa nach Albanien wirkt: Alles Volk drängt an den Hof, um mal des Königs hässlichen, aber lieben Zwerg zu gaffen.
Sich so begründendes Reiseinteresse reicht aber nicht aus, um nachhaltigen Tourismus als Wirtschaftszweig zu schaffen. Um stärker fürs Nationaleinkommen wirksam zu werden, braucht der Tourismus ein anderes Fundament.

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Re: Mal ein interessanter Blog

Mo, 26. Jul 2010, 8:55

Man könnte die Sache auch einmal pessimistisch betrachten und folgende Überlegung anstellen:

- Tourismus boomt momentan nicht gerade, egal wo.
- Albanien hat einen miesen Ruf.
- In der Umgebung gibt es viel Konkurrenz, die deutlich weiter ist (Kroatien, Griechenland, Türkei, Bulgarien)
- Albanien bietet für Investoren weniger Stabilität und Rechtssicherheit als die anderen Länder.

Ist es unter diesen Umständen überhaupt realistisch, Massentourismus ins Land holen zu wollen? Entsprechende Versuche sind z.B. in Rumänien, wo es ähnliche - gleichwohl weniger stark ausgeprägte - Probleme gibt, kläglich gescheitert.

Wäre es nicht für den Anfang stattdessen sinnvoller, kleineren, neugierigen Gruppen eine Kombination aus Rundreise und Strandurlaub anzubieten?

Ich bin mir über die Finanzierungsprobleme im Klaren und weiß auch, dass Albanien für sanften Tourismus weniger als z.B. Rumänien zu bieten hat. Wenn ich mir andererseits ansehe, dass selbst die Bosnier Touristen in ihre verminten Berge bekommen, frage ich mich, warum so etwas in Albanien nicht klappen sollte.

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Re: Mal ein interessanter Blog

Mo, 26. Jul 2010, 9:15

Backpacker hat geschrieben:
Entsprechende Versuche sind z.B. in Rumänien kläglich gescheitert.

Wäre es nicht für den Anfang stattdessen sinnvoller, kleineren, neugierigen Gruppen eine Kombination aus Rundreise und Strandurlaub anzubieten?
Es gibt tatsächlich einige ausreichend gute Hotels, z.B. in Dhermi oder Himara, die sich für Kleingruppen für solche Zwecke auch international anbieten ließen. Das Angebot ist aber nur aufbaufähig außerhalb der Saison, für die Hauptsaison haben die Eigentümer selbst kein Interesse, weil sie sowieso ausgelastet sind, und für die Gäste - diese Gruppen bestehen wegen des Preises typischer Weise aus situierten Bildungsbürgern - wäre in der Hauptsaison das Ambiente viel zu laut und zu chaotisch.
Insgesamt ließe sich damit das Potential aber nur unwesentlich aufstocken, um den Durchbruch zu erzielen, brauchte man etwa fünf bis zehn Großanlangen an der Südküste mit internationalem Standard.

Ich würde die Situation übrigens nicht mit Rumänien, sondern viel mehr mit Bulgarien vergleichen. Rumänien hat kaum 50 km nutzbare Küste, und die braucht es für seine 20 Millionen Einwohner allein. Aber Bulgarien wäre für die Albaner ein recht gutes Beispiel, wie man Küstentourismus so organisieren muss, dass er Geld bringt.

ALI
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Mo, 26. Jul 2010, 9:38

Aller Anfang ist die Anreise.
Auf dem Landweg, mit Auto evtl. Kindern und womöglich Wohnwagen, zu weit und zu lang für einen Drei-Wochen-Badeurlaub. Die Fähren von IT nach ALB dem Vernehmen nach in katastrophalem Zustand.
Wie sollen da die Touristen in Massen nach Albanien kommen? Griechenland ist einfacher zu erreichen.

volkergrundmann
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Mo, 26. Jul 2010, 10:58

Eine berühmte griechische Sängerin sang mal "Ein Schiff wird kommen..."
Ich singe heute den Albanern: "Ein Charterflieger wird kommen..."

Bloß, wenn du mich fragst, ob er in fünfzehn, oder in dreißig Jahren kommt, dann bringst du mich in Verlegenheit.

ALI
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Mo, 26. Jul 2010, 12:31

Sehr schön Volker,
ich würde dich gern mal in Verlegenheit bringen. Nur, leider kann ich nicht sehen, ob du dich vor Verlegenheit hinter dem linken oder dem rechten Ohr kratzt oder vielleicht sanft errötest.
Also lass ich's bleiben und frag ich nicht. :lol:

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Lars
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Di, 27. Jul 2010, 0:43

volkergrundmann hat geschrieben:Eine berühmte griechische Sängerin sang mal "Ein Schiff wird kommen..."
Ich singe heute den Albanern: "Ein Charterflieger wird kommen..."

Bloß, wenn du mich fragst, ob er in fünfzehn, oder in dreißig Jahren kommt, dann bringst du mich in Verlegenheit.
ist das wirklich erstrebenswert? Wer möchte schon Chartertouristen ... Ist es wirklich eine Lösung für Albanien, wenn nebst den Albanern aus der ganzen Welt in den zwei, drei Sommermonaten auch noch Chartertouristen an den Stränden rumhängen?

Ich denke eher, dass Albanien versuchen müsste, andere Touristengruppen anzusprechen, die nicht die bereits überlastete Infrastruktur (Strände im Hochsommer) noch weiter belasten.

Man müsste sich da vielleicht eher andere Regionen als Vorbild nehmen als die Türkei, Bulgariens Küste, Kreta, Mallorca oder Djerba. Denke da an Andalusien oder gewisse Hinterland-Regionen in Italien oder Finnland oder so.

volkergrundmann
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Di, 27. Jul 2010, 9:17

Lars, das ist ein schöner Traum, aber das Land braucht Geld. Es wird in Albanien niemals technologisch anspruchsvolle Wachstumsindustrien geben, nachhaltiger Tourismus ist die einzige Hoffnung, einen Teil des extrem schnell wachsenden Arbeitskräftepotentials unterzubringen.

Nachhaltig heißt, von Mitte Mai bis Ende September mindestens. Und dazu braucht es zehn richtig funktionierende, international konkurrenzfähige Großanlagen und den Charterflieger nach Saranda. Alles andere bleibt klein-klein. Übrigens würde der Charterflieger auch die Anzahl der Individualtouristen erhöhen, denn viele, die nicht mit Auto Langstrecke fahren, schrecken doch die heutigen Flugpreise ab, Albanien in Erwägung zu ziehen.

An den bisherigen Stränden könnten die Qualitätstouristen natürlich in der Saison nicht mit herumhängen. Aber mit einigem Aufwand ließen sich für sie exklusive Plätze abseits von der Masse finden. Es gibt z.B., auf Kreta etliche solche Anlagen, wo ich immer wieder denke, die könnten auch an Albaniens Südküste stehen. Und in diesen Anlagen werden nicht drei bis fünf Familienangehörige beschäftigt, sondern zum Personal gehören da hunderte.

ALI
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Di, 27. Jul 2010, 12:56

... und als Krönung ein Ballermann am Strand von Himare.

Natürlich brauchen die Albaner und braucht Albanien Einnahmen in der Tourismusbranche, trotzdem hoffe ich, dass ihnen ihre Heimat so wertvoll ist, dass sie nicht an Tourismusgiganten verschachert wird, deren Einnahmen dann zum großen Teil nicht im Land bleiben. Auch ein freundschaftliches Verhältnis zwischen Touristen und Einheimischen dürfte durch derartige Ghettos nicht gefördert werden. Das Thema „Aggressionen gegen Touristen“ wurde bereits angesprochen.

Einen Tourismus der kleinen Einheiten in der Fläche, wie ihn Lars im vorigen Posting genannt hat, über das ganze Jahr verteilt (Wanderer, Radfahrer, Badegäste, Skiwanderer), halte ich außerdem für Nachhaltiger als einige punktuelle Großanlagen. OK, das schnelle Geld wird so nicht verdient.

stmeca
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Di, 27. Jul 2010, 14:58

ALI hat geschrieben:... und als Krönung ein Ballermann am Strand von Himare.
Hallo,

ich habe das Land nur wenige Tage besucht. Aber ich denke, das Bild, welches sich mir zeigte, spricht eindeutig gegen einen Massentourismus in Albanien. Albanien ist ein wunderschönes Land für Individualtouristen.

Das mann ohne Massentourismus natürlich nicht so schnell die Wirtschaft ankurbeln kann, das steht auf einem anderen Blatt.

Soviel meine bescheidene Meinung zu dem Thema

Grüße
Stephan
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volkergrundmann
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Di, 27. Jul 2010, 16:12

Ihr habt eben der Hoffnung der Albaner auf die wichtigste Wunderwaffe der Zukunft die Grabrede gehalten. Ihr überseht dabei eines: Der Massentourismus in Albanien ist bereits da. Auf die kurze Zeit betrachtet, die er hier wirkt, ist er an Albaniens Küsten sogar gröber, gewalttätiger und zerstörerischer als in anderen Ländern. Und das schlimme ist, die Schadens-Nutzens-Relation ist ungleich schlechter als anderswo, weil er sich ausschließlich im Juli-August austobt und in der Hauptsache Regionalpublikum mit geringer Ausgabekraft bringt.

Die Albaner machen ihr Land sowieso weiter kaputt. Wer es nicht glaubt, gehe jetzt nach Dhermi. Da hat man nun endlich die Straße zum Nordstrand asfaltiert und damit den „Aufschwung“ bis zum dortigen Ortsende gebracht. Der gesamte Strandstreifen wird aber wieder nur planlos zersiedelt, eine kleine Erholungseinrichtung nach der anderen entsteht, keine davon geeignet, internationalen Vertragstourismus herzuholen. Mittendrin auch noch „Lolipop“, die brüllendste Disko am ganzen Mittelmeer (der Eigentümer soll übrigens der Sohn von Nano sein).

Hätte man dort hinten zwei ordentliche große, ruhige Flächeneinheiten nach kretischem Vorbild geplant, der Schaden für Mensch und Tier wäre ungleich geringer gewesen. Mit Qualitäts-Massentourismus im Maßstab von bis zu zehntausend Charter-Touristen würde in Albanien also nicht neuer Schaden angerichtet, sondern, wenn man es richtig machen würde, alter repariert.

Der Traum des Individualisten, die hübschen Stützpunkte und vielfältigen Aktivangebote über das weite Land, er bleibt ja unbenommen. Und funktioniert übrigens dort, wo sich verträglicher Qualitäts-Massentourismus entwickelt hat, umso besser, weil die großen Anlagen auch für gute Angebote die Garantie auf bessere Auslastung sind. Ich möchte jedenfalls nicht wissen, wie wenige von den Hunderttausenden, die heute in der Saison die Südküste bevölkern, mal Gjirokastra besuchen. Viele können es nicht sein, denn die historische Altstadt wirkt im Sommer eher gähnend leer. Gäbe es die großen Anlagen, dann würden von dort täglich etliche Besichtigungsbusse in die Stadt starten und der touristischen Entwicklung dort endlich einen Impuls verleihen.

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Di, 27. Jul 2010, 19:48

volkergrundmann hat geschrieben:Nachhaltig heißt, von Mitte Mai bis Ende September mindestens. Und dazu braucht es zehn richtig funktionierende, international konkurrenzfähige Großanlagen und den Charterflieger nach Saranda. Alles andere bleibt klein-klein. Übrigens würde der Charterflieger auch die Anzahl der Individualtouristen erhöhen, denn viele, die nicht mit Auto Langstrecke fahren, schrecken doch die heutigen Flugpreise ab, Albanien in Erwägung zu ziehen.

An den bisherigen Stränden könnten die Qualitätstouristen natürlich in der Saison nicht mit herumhängen. Aber mit einigem Aufwand ließen sich für sie exklusive Plätze abseits von der Masse finden. Es gibt z.B., auf Kreta etliche solche Anlagen, wo ich immer wieder denke, die könnten auch an Albaniens Südküste stehen. Und in diesen Anlagen werden nicht drei bis fünf Familienangehörige beschäftigt, sondern zum Personal gehören da hunderte.
Grossanlagen à la ClubMed etc. dürften dem ganzen Land wenig bringen. Das bringt eine Handvoll Jobs und vermutlich würden sie sogar das Wasser aus Frankreich ankarren. Und das Geld bleibt kaum im Land, sondern würde ruck-zuck wieder zu den ausländischen Investoren fliessen.

"große, ruhige Flächeneinheiten" hört sich gut an. Aber die Albaner würden dann wohl auch grosse Gebäude draufklotzen.

Griechenland taugt wirklich in vielerlei Hinsicht als Vorbild. Auf Santorini gibt es nur zwei-, maximal dreistöckige Häuser, die sich gut ins Landschaftsbild einfügen. Aber auch kaum eine Grossanlage: das meiste sind kleine, hübsche Hotelanlagen, die nicht stören. Aber verbaut und zersiedelt ist trotzdem die halbe Insel, da so klein.

Meines Erachtens kommt es weniger auf die Grösse an als auf die Qualität: Auch mit kleinen Einheiten könnte viel erreicht werden – und meines Erachtens wäre es besser, die übers ganze Land zu verteilen als an 10 Orten an der Küste zu konzentrieren. Hingegen müssten gewisse Grundregeln von Raumplanung eingehalten werden. Nicht jedes Grundstück maximal bebauen bis einen Meter an die Grundstücksgrenze. Nicht 15 Stockwerke oder noch eins mehr. Und Strafen fürs Fällen von Bäumen müssten auch einkassiert werden, damit das aufhört.

Die Albaner haben noch nicht erkannt, dass sie ihre eigene Zukunft zerstören. Aber sie selber scheint es ja nicht zu stören – und das ist zur Zeit ja auch die einzige richtige Nachfrage: Albaner aus der ganzen Welt auf Sommerurlaub. Weshalb diese nicht erfüllen, als sehr langsam eine ungewisse Zukunft für nachhaltigen Tourismus aus Europa (der vielleicht nie kommen wird und schon gar nicht heute satt macht) aufbauen.

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Lars
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Di, 27. Jul 2010, 19:58

volkergrundmann hat geschrieben:Übrigens würde der Charterflieger auch die Anzahl der Individualtouristen erhöhen, denn viele, die nicht mit Auto Langstrecke fahren, schrecken doch die heutigen Flugpreise ab, Albanien in Erwägung zu ziehen.
Natürlich ist das nicht alles falsch. Natürlich braucht es gute Flugverbindungen. Aber: einer meiner teuersten Flüge war als Individualtourist mit einem Charter nach Kreta …

Denke, es braucht keine Pauschalarangements nach Saranda: Flug + Hotel all inclusive – und die bewegen sich dann nicht aus der Anlage raus, sondern liegen nur dumm in der Anlage rum.

Es braucht mehr Flüge à la Belleair: einigermassen verlässliche Direktverbindungen wie nach Zürich oder Stuttgart, mit denen Touristen (ob Franzosen, Holländer oder Deutsche) gebracht werden, die mehr von Albanien sehen wollen als nur einen Strand und ein Buffet im Hotel. Natürlich sind wir da auch noch weit entfernt, weil für solche Pauschaltouristen (wie sie in Andalusien Fly + Drive machen) das Fly und das Drive und das Übernachten und das Verständigen noch etwas schwer fällt.

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Di, 27. Jul 2010, 21:07

Lars hat geschrieben:

Grossanlagen à la ClubMed etc. dürften dem ganzen Land wenig bringen. Das bringt eine Handvoll Jobs und vermutlich würden sie sogar das Wasser aus Frankreich ankarren. Und das Geld bleibt kaum im Land, sondern würde ruck-zuck wieder zu den ausländischen Investoren fliessen.


...eine ungewisse Zukunft für nachhaltigen Tourismus aus Europa (der vielleicht nie kommen wird und schon gar nicht heute satt macht)...

In dem Punkte fällst du einem weit verbreitetem Vorurteil zum Opfer. Ich habe mal eine solche Anlage mit 700 Betten auf ihre regionalwirtschaftliche Rolle analysiert. Man glaubt ja gar nicht, was die für eine Dienstleistungsschleppe ins Umfeld ziehen. Die Einkommenswirkung einer solchen Großanlage für die Region ist weit größer als man denkt, auch wenn natürlich immense Einkünfte bei den ausländischen Tour Operators verbleiben. Am schlechtesten sind übrigens meistens die Investoren der Anlage dran, denn insbesondere die großen deutschen und britischen Tour Operators quetschen sie mit ihrer Preisdrückerei aus wie die Zitronen.

Aber mir dräut, dass dein pessimistischer Ausblick möglicherweise der sinnvollste Schluss für diese Diskussion ist, ich glaube nämlich im Innersten auch nicht, dass die Zukunft allzu hochfliegende Erwartungen für Albanien bestätigen wird. Wenn sich etwas verbessert, dann vermutlich agonisch langsam.

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Mi, 28. Jul 2010, 15:55

Hallo erstmal!

Ich wurde durch meine 2 Tagesdurchreise bestimmt kein Albanienexperte und es kligt bestimmt überheblich hier Ratschläge zu geben.
Eines dürfte aber feststehen:

Albanien steht am Anfang und hat damit eine riesengroße Chance!
Albanien könnte kostenfrei aus den Fehlern der ander Länder lernen.
Albanien könnte erst seine Umwelt in Ordnung bringen und dann gezielt mit erst zu errichtenden Infrastruktur den sanften Tourismus zusprechen.
Die geografische Lage, die Landschaft, die Strände in unterschiedlichster Art und auch wohl ziemlich einzigartige Geschichte des Landes könnte einen Tourismus im Einklang mit Kultur und Natur das Landes schaffen der von all den Nachbarländern stark abweicht.
In etwa könnte ich mir den Titel dieses Tourismuses so vorstellen:

"Sanfter Individualtourismus mit Komfort"

Und sollte sich bei Jal eine Art Ballermann entwickeln so wird dies dem Lande auch nicht schaden sofern diese Aktivitäten eben dort auch verbleiben.
Das Straßennetz an der Küste ist bis auf wenige Abschnitte in Ordnung, im Landesinneren wird sicher vieles Verbesserungwürdig sein, über die Flugverbindungen kann ich nichts sagen, der Fähranschluß ist im Süden eigentlich durch das GR-Igoumenitsa gegeben, eine eigene anständige Linie mit vernüftigen Preisen währe in Durres natürlich von Vorteil. Eine richtige Autofähre von Korfu nach Sarande sollte eigentlich auch kein Nachteil sein.

Als abschreckendes Beispiel für zukünftigen Tourismus würde ich in erster Linie Montenegro hernehmen.

Sich großen Ausländischen Clubanlagen zu verkaufen bringt meist wiklich nichts ausser einigen der schlechtesten Jobs. Die Wertschöpfung für das Land ist gleich Null da wie es acuh Lars schon geschrieben hat das meiste angekarrt wird, die Arrangements im Ausland bezahlt werden, die guten Jobs auch durch Ausländer besetzt werden, "All in"-Clubs denen draussen keinen Cent zukommen lassen da ja im Club alles inklusive (viele meinen irrtümlich kostenlos) ist.

Wünsche Albanien alles Gute für seine wirklich sehr unsichere Zukunft.

lg Ferdl

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Mi, 28. Jul 2010, 15:58

Ein zweiter Flughafen im Süden wäre wirklich dringend nötig. Aber wenn ich die Sache mit dem Vertrag, den der Betreiber des Flughafens Tirana geschlossen hat, richtig verstanden habe, wird es den in absehbarer Zeit nicht geben.

Es bleibt also für Südalbanien nur die relativ lange Anfahrt über Tirana oder die Fähre von Kreta. Eins ist für größere Touristengruppen so unangenehm wie das andere.

Die anderen Flughäfen, die es noch in der Region gibt (z.B. Skopje, Pristina, Podgrocia, Tibor, Dubrovnik, Thessaloniki) stehen gar nicht erst zur Diskussion.

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