Illyrian^Prince
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Solidarität der Migranten

Mi, 11. Okt 2006, 19:20

Fast eine Million Ausländerinnen und Ausländer sind in der Schweiz berufstätig. Viele von ihnen sparen Geld, um die Angehörigen zu Hause zu unterstützen.

Das Phänomen der Remittances ist keineswegs neu. Emigrierte Arbeitnehmer unterstützen ihre zu Hause gebliebenen Familien, leisten so einen Beitrag gegen die Armut in ihrem Herkunftsland und tragen zur wirtschaftlichen Entwicklung des Landes bei.

Da verlässliche Daten zu diesem Phänomen fehlen, wird es häufig unterschätzt. In Reden zu Ausländern und Migration findet es keinen Platz.

"Das Phänomen der Remittances wird selten debattiert", meint Philippe Wanner, Professor für Demografie an der Universität Genf. "Mir scheint, dass sich die Schweizer Diskussion zu Migrationsfragen stark auf innenpolitische Aspekte konzentriert, ohne dabei auch die Folgen für die Entwicklungsländer zu erörtern."

Das Schweizer Forum für Migrations- und Bevölkerungsstudien (SFM) hat in einer Studie das Phänomen am Beispiel Albanien untersucht. "Der Fall Albanien ist interessant, weil der Anteil der Geldtransfers aus dem Ausland am Bruttoinlandprodukt (BIP) sehr hoch ist", sagt Wanner, Mitverfasser der Studie.

Seit 1989 haben albanische Emigranten rund 20% zum BIP beigesteuert. Zuwendungen gingen vor allem an die ganz armen Familien, alleinerziehende Mütter, Senioren und Arbeitslose.

11 Milliarden Sparguthaben
"Jeder in der Schweiz lebende Migrant schickt ungefähr 1000 Franken im Jahr nach Hause", führt Wanner aus. Bei 900'000 Ausländern (ohne Schwarzarbeiter) kommt der Universitätsprofessor auf einen Betrag, der mit den Schätzungen der Weltbank ziemlich genau übereinstimmt.

Diese geht in ihrem jüngsten Bericht davon aus, dass aus der Schweiz jährlich 11 Mrd. Franken ins Ausland transferiert werden. In der Rangliste der Remittances nimmt die Schweiz damit im internationalen Vergleich nach den USA, Saudi-Arabien und Deutschland den vierten Rang ein.

Diese Summe beinhaltet weder Bargeld noch Konsumgüter, die von Migranten direkt nach Hause gebracht werden. "In den Ländern Ex-Jugoslawiens und in der Türkei landet wohl der Löwenanteil der Transfergelder aus der Schweiz", ist Wanner überzeugt.

Private Entwicklungshilfe
Eine verlässliche Statistik zu diesem Phänomen gibt es nicht. "Das ist schade, denn es schränkt die Debatte um die Entwicklungspolitik stark ein", so Wanner.

Die Geldtransfers der Migranten sind um ein Vielfaches höher, als das offizielle Schweizer Budget für Entwicklungshilfe bei weitem (rund 1,7 Mrd. Fr. pro Jahr). Die Solidarität der Migranten erscheint – mehr noch als die offizielle Hilfe der Behörden – als geeignetes Instrument im Kampf gegen soziale Ungerechtigkeit.

Wanner warnt jedoch: "Die Geldtransfers sind persönliche Entscheide und können internationale Hilfsleistungen nicht ersetzen. Daher ist Vorsicht angebracht."

Die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) berücksichtigt bei der Aufstellung ihres Budgets das Phänomen der Remittances nicht. "Unsere Kriterien basieren auf den realen Bedürfnissen und dem sozio-politischen Kontext des jeweiligen Landes", sagt Walter Hofer, stellvertretender Leiter der Abteilung Mulilaterale Beziehungen bei der DEZA.

Die Rolle der Banken
Sicher scheint: Die Geldtransfers von Emigranten werden in Zukunft tendenziell zunehmen. Das sagt wenigstens die Weltbank voraus.

Die Empfängerländer dürfen sich darüber freuen, genauso wie die Agenturen, welche die Geldtransfers durchführen. Die Nachfrage nach ihren Dienstleistungen steigt ständig an. Allein in Spanien hat sich die Zahl der Geldinstitute, die solche Dienste anbieten, in fünf Jahren vervierfacht.

Doch werde auch Missbrauch betrieben. Diese Ansicht vertritt jedenfalls der sozialdemokratische Nationalrat Carlo Sommaruga. In einem Postulat vom Oktober 2005 kritisiert er die hohen Gebühren, die von Agenturen und Geldinstituten bei Transferzahlungen einkassiert werden.

"Das ist ein Skandal, denn es trifft eine einfache Bevölkerungsgruppe wie die Migranten, die zu Hause helfen will, dort, wo Armut herrscht", sagt Sommaruga. Er fordert daher einen Höchstsatz an zulässigen Gebühren.

Georg Soentgerath von der Credit Suisse widerspricht: "Die Tarife sind fix und klar. Die Kosten für den Kunden entsprechen jenen, die von der Bank für Geldüberweisungen ins Ausland festgelegt wurden", sagt er gegenüber swissinfo.

Die Schweizer Landesregierung hat das Postulat zurückgewiesen. Doch gleichzeitig hat sie eine umfassende Untersuchung angekündigt, welche das Staatssekretariat für Wirtschaft im Rahmen der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit Entwicklungs- und Transitionsländern über Remittances in die Balkanstaaten durchführt. Die Ergebnisse werden einen besseren Überblick über den Geldtransfer und die erhobenen Gebühren erlauben.

swissinfo, Luigi Jorio
(Übertragung aus dem Italienischen: Gerhard Lob)
[hr]

Gute Sache der alb. Migranten ;) :D

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Yllsen
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Do, 12. Okt 2006, 20:20

Diaspora i ka majt shqiptaret ne ballkan gjalle.

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(AL)OVE
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Do, 19. Okt 2006, 10:25

schön und gut, doch wohin fliessen diese gelder? wo werden sie investiert, was geschieht damit? ich bin der meinung, dass einfach nur geld schicken und die leute ernähren nicht i.o. ist. man muss die wirtschaft fördern, ansonsten entsteht eine abhängigkeit (wie in afrika ode so) man muss fonds bilden, firmen bauen, den leuten arbeit und somit auch die chance geben sich selbst zu versorgen! mein onkel ist arbeitslos (bin aus tetovo) und bekommt geld von seinem grossvater der rente aus deutschland bezieht, nur was wenn diese geldquelle stoppt? so geht es vielen leuten, sie sind abhängig und das kann so nicht funktionieren, da es auch immer schwieriger wird für uns, die im ausland arbeiten geld zu sparen. wir müssen endlich begreifen, dass wir eine wirtschaft aufbauen müssen, dass der gedanke, der z.b. in mazedonien herrscht "der staat schaut nicht für mich" aufhört und man sich selber um die probleme kümmert!

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Lule
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Do, 19. Okt 2006, 11:12

(AL)OVE hat geschrieben: ich bin der meinung, dass einfach nur geld schicken und die leute ernähren nicht i.o. ist.
:arrow: wäre es besser, wenn sie gar nichts mehr zu knabbern hätten?
Kann deinen Ausführungen nur sehr schwer folgen.

denn:
(AL)OVE hat geschrieben: wir müssen endlich begreifen, dass wir eine wirtschaft aufbauen müssen
:arrow: woher soll man das bitte schön aufbauen?
Nenne mir Investoren, die es ernst meinen mit dem Aufbau und nicht solche, die investieren - das Unternehmen ausquetschen und sich mit dem Sack voll Geld aus dem Staub machen.

Das Management in Kosova ist katastrophal.
Schaut euch nur mal die Energieversorgung an.
Früher konnte man sogar Elektrizität exportieren - nun muss man importieren.
Es ist alles vorhanden an Rohstoffen - aber nichts, um sie zu fördern, um sie zu veredeln - um das Endprodukt zu vertreiben.

Also daher finde ich den Ansatz der im Ausland lebenden Menschen sehr gut, erstmal die Familie zu unterstützen, sicher zu gehen, dass sie versorgt ist.

Wie sähe Kosova samt Bewohner wohl aus, wenn sich die im Ausland lebenden nun überlegten, als Investoren in die Wirtschaft zu gehen.
Kleines Beispiel: Es ist im Gespräch, dass das Elektrizitätswerk erneuert wird. Voraussichtlicher Beginn der Bauarbeiten ist wohl Anfang nächsten Jahres. Fertigstellung laut Plan ist im Jahr 2010 / 2011

Shumë të fala,
Lule
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Lule
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Do, 19. Okt 2006, 11:14

Ich wäre aber für einen konstruktiven und umsetzbaren Vorschlag sehr dankbar!

Denker und Macher braucht das Land!

Kalofsh mirë,
Lule
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(AL)OVE
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Do, 19. Okt 2006, 14:11

"wäre es besser, wenn sie gar nichts mehr zu knabbern hätten?
Kann deinen Ausführungen nur sehr schwer folgen."

mirëdita lule,

ich behaupte nicht, dass wir kein geld mehr runterschicken sollen (ich und meine familie schicken jeden rappen den wir sparen runter), doch es ist schwierig weil die leute abhängig werden. solange ich einen garantierten arbeitsplatz und ein einkommen habe, kann ich auch meiner familie in mazedonien garantieren, dass ich sie so gut ich kann unterstütze, doch was wenn meine einkommen nicht mehr sicher ist? es darf darum nicht sein, die leute in AL/KS/MK nur von unseren zu ernähren. mein vater hat zum beispiel in unserem dorf drei kleine läden errichtet, mit wenig geld, doch die hauptsache ist, dass dadurch drei leute arbeiten und vier familien ernährt werden, denn mein onkel bekommt die miete, die etwa einem lohn entspricht. in diesem sinn sollten wir alle eher in die richtung gehen, was aufzubauen... aber danke für deine kritik, auch wenn du mich nicht ganz richtig verstanden hast.

kalofsh mirë
tung

Tomcat
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Do, 19. Okt 2006, 14:35

(AL)OVE hat geschrieben:"wäre es besser, wenn sie gar nichts mehr zu knabbern hätten?
Kann deinen Ausführungen nur sehr schwer folgen."

mirëdita lule,

ich behaupte nicht, dass wir kein geld mehr runterschicken sollen (ich und meine familie schicken jeden rappen den wir sparen runter), doch es ist schwierig weil die leute abhängig werden. solange ich einen garantierten arbeitsplatz und ein einkommen habe, kann ich auch meiner familie in mazedonien garantieren, dass ich sie so gut ich kann unterstütze, doch was wenn meine einkommen nicht mehr sicher ist? es darf darum nicht sein, die leute in AL/KS/MK nur von unseren zu ernähren. mein vater hat zum beispiel in unserem dorf drei kleine läden errichtet, mit wenig geld, doch die hauptsache ist, dass dadurch drei leute arbeiten und vier familien ernährt werden, denn mein onkel bekommt die miete, die etwa einem lohn entspricht. in diesem sinn sollten wir alle eher in die richtung gehen, was aufzubauen... aber danke für deine kritik, auch wenn du mich nicht ganz richtig verstanden hast.

kalofsh mirë
tung
Das ist ein richtiger Ansatz. Hilfe zur Selbsthilfe.

Wozu ein Zuviel an Hilfe führen kann, kann man in einigen Gegenden Afrikas beobachten. Die Hilfsorganisationen schicken riesige Mengen Mais in diese Gegenden. Die einheimischen Bauern können ihren angebauten Mais nicht verkaufen, weil der importierte Mais verschenkt wird. Ergo bauen sie keinen Mais mehr an und werden selber von den Hilfsorganisationen abhängig.

Irgendjemand hat im Forum geschrieben, dass in KS große landwirtschaftliche Flächen brach liegen und in den Läden ausländische Agrarprodukte verkauft werden. Aus ebendiesen Gründen.

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Lule
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Do, 19. Okt 2006, 17:33

@ )Al)Love
Ich denke schon, dass ich dich richtig verstanden habe. Ich verstehe die Solidarität zu unseren Familienmitgliedern....immerhin reihe auch ich mich in die Schlange derer, die ihre Familie dort unterstützt mit jedem Cent, der übrig bleibt.

Aber ich sehe einfach momentan keine Möglichkeit, dass sich das Land aus dem Dilemma befreien kann --> ohne vorher einen Status erreicht zu haben.

Das Beispiel mit der Elektrizität ist doch erschreckend.

Was den Mais angeht...finde ich absolut nicht in Ordnung, wenn es denn in der Realität so gehandhabt wird.
Man hat ja leider immer nur einen kleinen Ausschnitt - entweder, weil es um die eigene Familie geht und man dort Einblicke hat. Oder weil man es in den Medien hört....oder von einem Bekannten oder oder oder...

Es wäre sehr interessant, zu erfahren - vielleicht in einem Feldversuch - wie sich die Dinge entwickeln würden, wenn man mit Erfahrungen aus dem hiesigen Ausland hinginge und die Sache antreibt.

Von meiner Familie kann ich nur sagen, dass wir die Produkte, die uns die Landwirtschaft bringt, für uns selbst gebrauchen und uns eigentlich ausnahmslos davon ernähren.

Ich bin grundsätzlich deiner Meinung - da ich finde, dass Hilfe zur Selbsthilfe alles sein sollte, das man gibt. Aber ich komme nicht von dem Gedanken weg, dass auch mit größter Motivation und größtem Ehrgeiz im Moment nicht wirklich viel erreicht werden kann - da die Rahmenbedingungen einfach nicht gegeben sind.

Es wäre wirklich interessant, sich das mal aus der Nähe - step by step - zu betrachten. Man geht mit einer Idee dort hin und versucht, diese Idee in eine runde Sache zu verwandeln.

Soviel ich weiß, gibt es diverse Fabriken und Herstellungsunternehmen - die vom Krieg unbeschädigt geblieben sind und die auch nach den Jahren noch in Betrieb genommen werden können.
Wie sieht es mit den Nutzungsrechten aus?
Wer hat die Besitzrechte?
Wer darf dieses Unternehmen betreiben?
Gibt es Beschränkungen - wie hier von der Handelskammer oder Handwerkskammer?

Alles Dinge, über die ich sehr gerne mehr erfahren würde!

Also, lasst uns bitte darüber in Austausch bleiben!

Shumë të fala,
Lule
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